Das österreichische Gesellschaftsrechtliche Digitalisierungsgesetz 2023 (GesDigG 2023) brachte eine wesentliche Neuerung im österreichischen Gesellschaftsrecht, die aus Sicht der Unternehmensverteidigung wichtig sind. Seit dem 1. Jänner 2024 gelten neue Bestimmungen, die Disqualifikationsgründe für Geschäftsführer*innen und Vorstandsmitglieder einführen, falls die rechtskräftig verurteilte Person ein Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied ist (nicht aber für Aufsichtsratsmitglieder oder Prokuristen) und die Verurteilung zu mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe führte. Die Regelungen betreffen GmbH (§§ 15, 16a GmbH), die FlexCo, AG (§ 75), SE und Genossenschaften (§ 15) und setzen EU-Richtlinien um.
Welche Delikte sind für die Disqualifikation relevant?
Folgende Delikte sind für die Disqualifikation relevant, wobei auch Verurteilungen wegen vergleichbaren Straftaten durch ein ausländisches Gericht in Frage kommen:
Betrug (§ 146 StGB)
Untreue (§ 153 StGB)
Geschenkannahme durch Machthaber (§ 153a StGB)
Förderungsmissbrauch (§ 153b StGB)
Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 153c StGB)
Betrügerisches Anmelden zur Sozialversicherung oder Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (§ 153d StGB)
Organisierte Schwarzarbeit (§ 153e StGB)
Betrügerische Krida (§ 156 StGB)
Schädigung fremder Gläubiger (§ 157 StGB)
Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB)
Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB)
Unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände (§ 163a StGB)
Geldwäscherei (§ 165 StGB)
Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren (§ 168b StGB)
Ausgabenseitiger Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union (§ 168f StGB)
Missbräuchliche Verwendung von Mitteln und Vermögenswerten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union (§ 168g StGB)
Abgabenbetrug (§ 39 FinStrG)
Grenzüberschreitender Umsatzsteuerbetrug (§ 40 FinStrG)
Insgesamt geht es also um bestimmte Vermögensdelikte, die den Schutz bestimmter Interessen (insb. Dritte, Allgemeinheit) dienen. Dagegen sind Vermögensdelikte wie etwa Diebstahl, die typischerweise nicht einen Gesellschaftskontext haben, sind nicht erfasst.
Welche Auswirkungen hat die Disqualifikation?
Bei einer rechtskräftigen Verurteilung entsprechender Delikte, die eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten nach sich ziehen, tritt automatisch eine Disqualifikation ein. Die Disqualifikation hat zur Folge, dass die betroffene Person nicht als Geschäftsführer*in oder Vorstandsmitglied bestellt werden darf. Diese Regelung gilt für einen Zeitraum von drei Jahren nach Rechtskraft der Verurteilung.
Disqualifizierte Geschäftsführer müssen sofort ihren Rücktritt einreichen, wobei der Rücktritt erst nach nach einer 14-tägigen Frist wirksam, um den Unternehmen Zeit zu geben, geeignete Nachfolgerinnen zu finden. Falls der/die disqualifizierte Geschäftsführer*in nicht freiwillig zurücktritt, kann die Disqualifikation als Grund für eine Amtsenthebung oder als wichtiger Grund für eine Abberufung dienen. Diese Regelung zielt darauf ab, schnelle und effiziente Wechsel in der Unternehmensführung zu ermöglichen und die Integrität der Führungsebene zu wahren.
Disqualifikation bereits eingetragener Geschäftsführer
Das gesellschaftsrechtlichen Digitalisierungsgesetzes 2023 hat ein automatisiertes Verfahren implementiert, um die Eintragungen von Geschäftsführer*innen im Firmenbuch zu überwachen. Bei einer strafrechtlichen Verurteilung, die zur Disqualifikation führt, wird das Firmenbuchgericht informiert. Die betroffene Gesellschaft muss dann die disqualifizierte Person abberufen und gegebenenfalls einen neuen Vertreter bestellen. Erfolgt keine Abberufung innerhalb von zwei Monaten, wird die Person automatisch aus dem Firmenbuch entfernt. Diese Regelung stellt sicher, dass nur qualifizierte Personen Führungspositionen in Unternehmen besetzen.
Informationsfluss
Für den Informationsfluss zu den Disqualifikationen ist das sogenannte BRIS (Business Registers Interconnection System) zuständig. Es soll den Zugang zu Informationen über europäische Unternehmen erleichtern. Nähere Informationen finden sich dazu in § 37 FBG („Europäisches System der Registervernetzung“).
Fazit
Die Disqualifikation soll dazu dienen, allfällige Illegalität in der Unternehmenstätigkeit einzudämmen. Ob das gelingen wird, wird die Praxis erst zeigen.